Merkozys Sprengsatz

30.01.2012
Jürgen Klute

Jürgen Klute, Koordinator der Linken im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments, kritisiert, dass der geplante zwischenstaatliche Vertrag einseitig auf die so genannten Defizitländer schaut: „Wie schon bei den bisherigen vermeintlichen Euro-Rettungsprogrammen stehen der Schuldenabbau und die Reduzierung öffentlicher Haushalte im Vordergrund. Dass mittlerweile selbst der Internationale Währungsfonds davor warnt, Europa mit der Kürzungspolitik zurück in die Krise zu stoßen, wird von den Vertragsparteien weitgehend ignoriert." Nötig sei, so Klute weiter, dass Länder wie Deutschland ihren permanenten Exportüberschuss abbauen und wenigstens einen Teil der in Griechenland und anderswo gemachten Gewinne an diese Partner in der Euro-Zone zurückfließen lassen. „Mit dem einseitigen Fiskalpakt halten Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nicht mehr nur die Lunte in der Hand, sie haben den Sprengsatz zur Zerstörung der EU bereits gezündet."

Gabi Zimmer, Mitglied des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales, ergänzt: „Die festgeschriebene Einrichtung einer Schuldenbremse in allen Vertragsstaaten macht eine antizyklische Politik mit der es in Deutschland gelungen ist, relativ glimpflich durch die Finanzkrise zu kommen, beinah unmöglich. Statt der permanenten Pfennigfuchserei brauchen die Krisenländer ein sozial und ökologisch orientiertes Investitionsprogramm. Wenn das läuft, kann an Schuldenabbau gedacht werden."

Auch der am Wochenende geäußerte Vorschlag Deutschlands, wonach die Kontrolle über den griechischen Staatshaushalt einem "EU-Sparkommissar" übertragen werden soll wird von der LINKEN im Europäischen Parlament scharf kritisiert.

Für Thomas Händel, ebenfalls Mitglied im Sozialausschuss und stellvertretend im Wirtschaftsausschuss, führt der geplante Vertrag zu einer Verstärkung irregulärer Beschäftigung in der gesamten EU. „Ein wesentlicher Teil des deutschen Jobwunders während der Krise bestand aus prekärer Beschäftigung: 2010 waren nur noch 61 Prozent aller Beschäftigtenverhältnisse unbefristete und sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen. Mit dem Spardiktat wird dieses Modell den anderen EU-Staaten aufgezwungen.

Zudem, so Händel weiter, stelle sich die Frage nach der juristischen Haltbarkeit des Vertragswerks. „Ein Teil der Regelungen ist – weniger scharf formuliert – mit dem so genannten „Sixpack" bereits im Dezember zu europäischem Recht in Form von Richtlinien und Verordnungen geworden. Der jetzt geplante Vertrag schafft dagegen ein Recht, das außerhalb des EU-Rahmens installiert wird und damit europäischem Recht zuwider läuft. Im Zweifel müssten die Gerichte klären, was schwerer wiegt: dieser zwischenstaatliche Vertrag oder das verfasste EU-Recht."