Wo ich herkomme, was mich geprägt hat.

Jürgen Klute stellt sich vor.

Jürgen Klute

Meinen Einstieg in das parteipolitische Engagement habe ich Anfang 2005 über die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) gefunden. Im ersten Landtagswahlkampf der WASG, in Nordrhein-Westfalen, war ich Spitzenkandidat auf der Landesliste und Direktkandidat in Herne, der mittelgroßen Großstadt mitten im Ruhrgebiet, in der ich mit meiner Frau und meinem Sohn lebe.

In den Medien wurde die WASG gewöhnlich als die Partei frustrierter Sozialdemokraten und Gewerkschafter charakterisiert. Sozialdemokrat war ich nie. Wohl aber bin ich Gewerkschaftsmitglied (ver.di). Ansonsten komme ich aus der eher kleinen und öffentlich kaum wahrgenommenen Gruppe von Kirchenleuten, die sich in der WASG engagiert haben. Das sind KollegInnen – sofern sie der evangelischen Kirche angehören –, die sich dem sogenannten linken sozialökologischen Protestantismus zugehörig fühlen, der an die Tradition des Religiösen Sozialismus anknüpft, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden ist.

Bünde in Westfalen - Hier bin ich aufgewachsen.

Dass ich Theologie studiert habe und als evangelischer Pfarrer arbeite, hat biografische Gründe. Aufgewachsen bin ich in der ostwestfälischen Kleinstadt Bünde. Diese Region war in meiner Jugendzeit geprägt durch Kleinindustrie, Landwirtschaft, Furcht vor Kommunisten und Russen (in Bünde war bis 1990 die russische Militärmission im ehemaligen britischen Sektor angesiedelt) und durch eine dominante konservativ-reaktionäre Variante der evangelischen Kirche, der Minden-Ravensberger-Erweckungsbewegung. Jugendlichen blieb dort nur die Wahl zwischen kirchlichen Angeboten und Sportvereinen. Da ich Sport eher für eine Form von Energieverschwendung halte, bin ich Anfang der 1960er Jahre in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv geworden. Daher mein Zugang zur Kirche und zur Theologie. Dass ich mich trotz dieses Engagements politisch links orientiert habe, hat zwei Hauptgründe: Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und habe über meine Familie einen existenziellen Zugang zu sozialen Fragen gehabt. Zum anderen sind die 1960er und 1970er Jahre bekanntermaßen ein politisch sehr bewegter Zeitabschnitt gewesen, der mich natürlich mitgeprägt hat.

Diese Prägungen haben mich dazu motiviert, nach meinem Studium ein Arbeitsfeld in der Kirche zu suchen, das meiner politischen und theologischen Orientierung entspricht. So habe ich zunächst neben meinem Vikariat in Marburg/Lahn Anfang der 1980er Jahre am Pädagogisch-Theologischen Institut mitgearbeitet. Themenschwerpunkte waren dort materialistische und feministische Exegese, Theologie der Befreiung (1988 habe ich dieses Thema im Rahmen eines zweimonatigen Studienaufenthalts in Brasilien vertiefen können), Friedenspädagogik und interkultureller Dialog.

Nach dem 2. Examen und einer kurzen Phase als Religionslehrer an einer Berufschule habe ich Zugang zum Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) gefunden, also jenem kirchlichen Arbeitsfeld, das sich praktisch und reflexiv mit der Arbeitswelt und mit den damit verbundenen sozialen Fragestellungen auseinandersetzt. Begonnen hat diese Arbeit für mich mit einem Projekt zum Verhältnis von Arbeitswelt und Kirche. Verbunden war dieses Projekt mit einem sechsmonatigen Praktikum untertage auf der Schachtanlage Fürst Leopold in Dorsten am nordwestlichen Rand des Ruhrgebiets. Eine einmonatige Hospitation beim Betriebsrat der Schachtanlage schloss sich an.

Jürgen Klute als Oberstufenschüler in Avignon...

Diesem Projekt folgte von 1989 bis 2006 meine Arbeit als Sozialpfarrer in Herne. Geprägt war diese Phase durch die Arbeitskämpfe in Duisburg-Rheinhausen, durch den sogenannten Fall der Mauer, durch den Kampf um den Erhalt des Bergbaus und natürlich durch den Strukturwandel im Ruhrgebiet insgesamt, der seit Mitte der 1990er Jahre zu einem verschärften Arbeitsplatzabbau geführt hat.

Meine Arbeit als Sozialpfarrer ist immer eine politische, bewusst aber keine parteipolitische Arbeit gewesen. In dem 1993 von mir mit initiierten Herner Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (seit 2004 Herner Sozialforum) hat es natürlich immer eine Zusammenarbeit auch mit Parteien gegeben: mit der SPD, den Grünen, der PDS und der DKP. In einer solchen Bündnisarbeit geht es darum, eine Kooperation zwischen möglichst vielen unterschiedlichen Organisationen zu erreichen. Um das von mir in diese Kooperation eingebrachte und repräsentierte kirchliche Engagement als solches kenntlich zu machen und zu halten, habe ich es für strategisch richtiger gehalten, mich nicht parteipolitisch zu engagieren.

Dass ich Ende 2004/Anfang 2005 entschieden habe, mich nun doch parteipolitisch zu engagieren, hatte zwei Ursachen: Zum einen befindet sich die evangelische Kirche seit einigen Jahren in einem Umorientierungsprozess, in dessen Folge sie sich aus dem Arbeitsfeld Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt mehr und mehr zurückgezogen hat. Zum anderen hat sich die politische Gesamtlage in einer Weise verschoben, dass dem nur mehr etwas durch eine neue organisierte linke politische Kraft entgegenzusetzen ist. Und das erfordert dann auch ein persönliches parteipolitisches Engagement.

Jürgen Klute auf der Friedensdemo in Kehl 2009

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