Hände schütteln ohne schmutzige Finger zu bekommen. Unklare Iran-Politik des EU-Parlaments

STIMMEN zur IRAN-POLITIK des EU-PARLAMENTS

31.10.2012
Die Gewinner des Sakharov-Preises 2012

Neben Haushaltsverhandlungen, Finanzmarktregulierung und Gleichstellungsfragen stehen derzeit die Beziehungen zum Iran im Fokus der EU-Abgeordneten. Zwei iranische Oppositionelle, die Anwältin Nasrin Sotoudeh und der Filmemacher Jafar Panahi, haben gemeinsam den diesjährigen Sacharow Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments gewonnen. Nur einen Tag darauf wurde die Preisverleihung bereits zum Anlass genommen, eine langfristig geplante Delegation in den Iran zu verhindern. Eine konsequente Entscheidung? Vor allem wohl ein Beispiel für das konsequente Bestreben der Konservativen, den Einsatz für Menschenrechte für Konfrontation und Totalisolation zu instrumentalisieren.

Am 26. Oktober hat das Europäische Parlament zudem ein entschiedenes Zeichen der Solidarität mit der iranischen Zivilgesellschaft gesetzt: Die Fraktionsvorsitzenden sowie der Präsident des EU-Parlaments haben entschieden, dass der Sakharov-Preis für Meinungsfreiheit 2012 an zwei inhaftierte Oppositionelle, die Anwältin Nasrin Sotoudeh und den Regisseur Jafar Panahi gehen soll.

Internationale Auszeichnungen, wie der seit 1988 verliehene Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments können einen wertvollen Beitrag leisten, um Oppositionelle vor skrupellosen Regimen zu schützen. Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit, benannt nach dem sowjetischen Physiker und Menschenrechtsaktivisten Andrei Sacharow, wird seit 1988 jedes Jahr vom Europäischen Parlament an Individuen oder Gruppen verliehen, die einen wichtigen Beitrag zum Kampf für Menschenrechte und Demokratie geleistet haben. Das Preisgeld beträgt 50.000 Euro.

Internationale Unterstützung können die beiden Menschenrechtler gut gebrauchen: Nasrin Sotoudeh, 1963 geboren, ist eine iranische Anwältin, die sich für Menschenrechte einsetzt. Sie vertrat Aktivisten der Opposition, die während des Streits um die Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 inhaftiert wurden, sowie zum Tode verurteilte Jugendliche, Frauen und politische Häftlinge. Aufgrund von Anschuldigungen, Propaganda zu verbreiten und die Staatssicherheit zu gefährden, wurde sie 2010 verhaftet und in Einzelhaft genommen.

Jafar Panahi, 1960 geboren, ist ein iransicher Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Für den Film "The White Balloon" wurde er bei den Filmfestspielen von Cannes 1995 mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet, was ihm internationale Anerkennung einbrachte. Seine Filme beleuchten des Öfteren die Not der Kinder, Armen und Frauen im Iran. Jafar Panahi wurde im März 2010 inhaftiert und zu sechs Jahren Haft, sowie einem 20-jährigen Verbot, Filme zu drehen oder das Land zu verlassen, verurteilt. Sein letzter Film, "This Is Not a Film" wurde 2011 auf einem in einem Kuchen versteckten USB Stick aus dem Iran zu den Filmfestspielen von Cannes geschmuggelt.

Die nunmehr vierte Absage einer Parlamentsdelegation nach Teheran seit 2009. Es ist allzu offensichtlich: Über den richtigen Ansatz, mit dem Iran umzugehen herrscht intern große Uneinigkeit: Komplette Isolierung, Unterstützung der Opposition oder Schritte zum Dialog? Die widersprüchlichen Signale, die damit ausgesendet werden, dienen sicher nicht der Glaubwürdigkeit des Parlaments.

Stimmen zur Preisverleihung an Nasrin Sotoudeh und Jafar Panahi

Die Vorsitzende der europäischen Linksfraktion, Gabi Zimmer, und Cornelia Ernst, Vize-Präsidentin der Iran Delegation im Europäischen Parlament: "Wir gratulieren Nasrin Sotoudeh und Jafar Panahi aus dem Iran. Beide setzen sich unter schwierigsten persönlichen Bedingungen und trotz ständiger Unterdrückung seitens der Regierung im Iran für die Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land ein. Dafür haben sie unseren tiefen Respekt und unsere volle Unterstützung verdient. Die Gefängnisstrafen sowie das Verbot seitens der iranischen Behörden, ihrer Tätigkeit nachzugehen müssen sofort aufgehoben werden."

Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses Barbara Lochbihler: "Seit den Wahlen von 2009 hat sich die Menschenrechtslage noch verschlechtert. Erst vor kurzem hat der UN-Sonderberichterstatter Ahmad Shaheed auf die prekäre Situation für JournalistInnen und AnwältInnen hingewiesen. Auch deshalb ist die Verleihung des Sacharow-Preises ein gutes Signal zum richtigen Zeitpunkt. Zugleich sollte die Verleihung aber auch die EU anmahnen, ihre Politik gegenüber dem Iran nicht auf die Frage der Atomwaffen zu reduzieren. Die Europäer müssen die verheerende Menschenrechtslage im Land bei den Verhandlungen in den Vordergrund stellen." Uwe Sattler hat Barbara Lochbihler zur europäischen Iran-Politik interviewt.

Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments: "Die Verleihung des Sacharow-Preises für geistige Freiheit an die Iraner Nasrin Sotoudeh und Jafar Panahi ist ein Zeichen der Solidarität und Bewunderung für eine Frau und einen Mann, die sich der Angst und Einschüchterung nicht beugen wollten und beschlossen haben, das Schicksal ihres Landes ihrem eigenen überzuordnen. Ich hoffe inständig, dass sie im Dezember persönlich nach Straßburg ins Europäische Parlament kommen können, um ihren Preis entgegenzunehmen."