Bleiberecht nur für Spitzel?

PRESSEMITTEILUNG vom VERBAND KURDISCHER VEREINE YEK-KOM zu DUBIOSEN ANWERBEMETHODEN DURCH VERFASSUNGSSCHUTZ

08.01.2013

Eine Untersuchung der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland, YEK-KOM, hat verdeutlicht, dass bundesweit MitarbeiterInnen der Verfassungsschutz-Behörden systematisch und mit rechtlich fragwürdigen sowie teilweise offensichtlich rechtswidrigen Methoden kurdische Jugendliche auf eine Zusammenarbeit ansprechen. Sie werden bedrängt, kurdische Organisations- und Vereinsstrukturen sowie Personen auszuspionieren.

Der YEK-KOM Vorstand hat deshalb Gespräche mit mehreren Mitgliedsvereinen geführt, in denen ausführlich von vielen derartigen Fällen berichtet worden ist. Danach gehen die Verfassungsschutzbehörden vor allem in Hessen, aber auch NRW, Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Bremen und Hamburg oft mit rechtwidrigen Mitteln vor, um Kurdinnen und Kurden gegen ihre eigene Community zu einer „Mitarbeit" zu bewegen: Kurdische Jugendliche werden beispielsweise zu Hause oder auf der Arbeitsstelle von VS-Personen aufgesucht und in zahlreichen Fällen versprochen, dass sie bei einer Mitarbeit eine zuvor beantragte deutsche Staatsangehörigkeit, Niederlassungserlaubnis oder regelmäßig „große Summen Geld" erhalten würden. Bei Ablehnung werden dagegen oftmals längere Wartezeiten auf beantragte, existenziell wichtige Dokumente angedroht, eine Ablehnung des beantragten Status oder weitere negative Konsequenzen, wie existenzbedrohende Sanktionen gegen die Angesprochenen oder deren Familien.

Diese erniedrigenden Anwerbungsversuche verletzen die Würde des Menschen, die im ersten Artikel des Grundgesetzes garantiert wird. Durch solche Vorgehensweisen wird auch die Integrität der Jugendlichen massiv verletzt. Sie werden so in aussichtslose und existenzgefährdende Situationen gedrängt.

Durch ihr Verhalten in Bezug auf die NSU-Terrororganisation haben die Verfassungsschutz-Behörden ohnehin ihre Legitimation gegenüber der Gesellschaft eingebüßt, da sie trotz besseres Wissens u.a. über die Ermordung von mindestens neun Menschen – darunter zwei KurdInnen – durch die neonazistische Organisation geschwiegen haben. Die Gefahr für die demokratische Grundordnung geht in der Bundesrepublik nicht von den hier aufgewachsenen kurdischen Jugendlichen aus, die sich demokratisch in Vereinen organisieren und sich dort für Demokratie und Menschenrechte sowie die Anerkennung der kurdischen Identität engagieren, sondern von den offensichtlich rechts- und verfassungswidrigen Methoden der Verfassungsschutzbehörden.

Wenn seitens des Staates Bedarf an Informationen über die KurdInnen in Deutschland besteht, schlagen wir einen eigentlich selbstverständlichen Weg vor: Staatliche Einrichtungen oder deren VertreterInnen wenden sich an die kurdischen MigrantInnenselbstorganisationen, stellen ihre Anfragen oder führen mit ihnen Gespräche. Auf lokaler Ebene gibt es Vereine mit tausenden Mitgliedern auf Bundesebene unseren Dachverband, an die sich Bundes- und Ländereinrichtungen sowie Kommunen wenden können. Auch eine Aufnahme von YEK-KOM-VertreterInnen in die Integrationsbeiräte auf Bundes- und Landesebene wären in dieser Hinsicht sinnvoll.

Viele hier lebende Kurdinnen und Kurden haben ihre Heimat verlassen müssen, weil sie vom türkischen Staat und seinem Geheimdienst massiv unter Druck gesetzt worden sind, als so genannte Dorfschützer gegen die eigene Bevölkerung – auch bewaffnet - vorzugehen.

Deshalb ist es unserer Meinung nach inakzeptabel und mit Blick auf Demokratie und Grundrechte besorgniserregend, dass auch der bundesdeutsche Inlandsgeheimdienst versucht, die kurdische Bevölkerung mit fragwürdigen Methoden zu spalten, einzuschüchtern und dazu zu bringen, die eigene Community zu denunzieren.

Wir behalten uns vor, künftig alle Versuche der Verfassungsschutzbehörden, Kurdinnen und Kurden als Spitzel anzuwerben, öffentlich zu machen.

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YEK-KOM e.V.
Düsseldorf, 04.01.2013