Hohe Standards: Demokratie und Partizipation unter Chávez
BERICHT von den GOUVERNEURSWAHLEN in VENEZUELA
Venezuela macht derzeit vor allem mit der Erkrankung von Präsident Hugo Chavez Schlagzeilen. Wieder einmal wird in den Medien das Bild eines autokratisch regierten Landes gezeichnet. Jürgen Klute hatte vor wenigen Wochen die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von der politischen Lage zu machen. Auf Einladung der venezolanischen Wahlbehörde hat er als Wahlbeobachter die wichtigen Gouverneurswahlen begleitet.
Für ihn war es die dritte vergleichbare Beobachtermission, nachdem er im Juni 2011 den Ablauf der Parlamentswahlen in der kurdischen Provinz Van beobachtet hat, und im Juli 2012 an einer Untersuchung zur Absetzung von Präsident Lugo nach Paraguay gereist ist.
Zurück nach Venezuela: Am 16. Dezember wurden dort die Regionalvertretungen in den 23 Bundesstaaten neu gewählt - mit einem deutlichen Sieg der Partei von Regierungschef Hugo Chavez, dessen Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) und sie unterstützende Parteien die jetzt Gouverneure von 20 der Bundesstaaten stellen. Da die Regierungspartei von Hugo Chavez sich seit Langem mit Manipulationsvorwürfen konfrontiert sieht, hat der nationale Wahlrat internationale Beobachter eingeladen, die Wahlen zu begleiten. Der 19-köpfigen Beobachtergruppe gehörten Parlamentarier, Parteienvertreter, Journalisten, Wissenschaftler und NGO-VertreterInnen aus Europa, Lateinamerika und den USA an.
Jürgen Klute schildert hier seine Eindrücke: „Venezuela hat in Europa ein klares Image-Problem. Chávez hat hier angesichts seiner wirtschaftspolitischen Linie und seines forschen persönlichen Auftretens wenig Freunde. Aller Kritik zum Trotz sollte man aber anerkennen, dass er mit seiner Politik die Unterstützung der Bürger seines Landes hat. Doch natürlich kommt es auch darauf an, dass diese Wahlen auf korrekte Weise ablaufen, und von den Bürgern als Ausdrucksweise ihres politischen Willens angenommen werden.
Die Akzeptanz der Wahlen durch die Bürger – und damit ihre Legitmität – drückt sich vor allem in der Wahlbeteiligung aus. Die Wahlbeteiligung wiederum hängt – abgesehen von Wahlen, die mit einer Wahlpflicht verbunden sind – davon ab, dass die Wählerinnen und Wähler einen Sinn in der Wahl sehen. Sie müssen also davon überzeugt sein, dass die Wahlen politisch fair und transparent sind und dass die technische Durchführung der Wahlen vertrauenswürdig ist, also kein Grund zum Verdacht auf Manipulation besteht. Und schließlich muss jeder Wähler und jede Wählerin problemlos Zugang zu einem Wahllokal haben und den Wahlzettel verstehen: Um welches Wahlamt geht es? Wen kann ich wählen? Wie viele Stimmen habe ich? Wo muss ich mein "Kreuz" machen?
Seit Hugo Chavez 1999 als gewählter Präsident Venezuelas die venezolanische Politik auf einen klaren Linkskurs gebracht hat, werden ihm und seiner Regierung immer wieder Manipulationen vorgeworfen. Aus diesem Grund bemüht sich die venezolanische Regierung vehement darum, den Vorwurf der Manipulation zu entkräften.
Ablauf der Wahlbeobachtung
Die Gruppe startete ihre Arbeit am 12. Dezember mit der Anreise. Am 18. Dezember hat sie ihre Arbeit mit der Präsentation ihres Berichts abgeschlossen. Die Arbeit der Beobachtergruppe begann mit einer Einführung in das Wahlrecht, den Wahlablauf und die Aufgabenstellung sowie in die Rechte und Pflichten der Beobachtergruppe. Es folgte eine praktische Einführung in den Wahlablauf. Der Tag begann mit dem Besuch des Wahllokals in der Schule "Rafael Napoleon Baute" in Caracas. In einem Probelauf wurde das Wahllokal aufgebaut. In der Anwesenheit zweier Zeugen sowie unserer Gruppe übergab ein Vertreter des "Plan Republica" dem Leiter des Wahllokals die versiegelten Koffer mit der Wahlmaschine und Zubehör.Am Wahltag selbst erhielten die Mitglieder der Wahlbeobachtergruppe einen Ausweis des CNE, der ihnen den Zugang zu den Wahllokalen und zu den Einrichtungen der CNE erlaubt und ermöglicht, um den Ablauf der Wahlen uneingeschränkt beobachten und überprüfen zu können. Sie haben das Recht, allen an der Durchführung des Wahlvorgangs Beteiligten und allen Wählerinnen und Wählern jederzeit Fragen zu stellen. Dafür ggf. nötige Übersetzungsdienste werden zur Verfügung gestellt.
Untersagt ist den Mitgliedern der Gruppe eine wie auch immer geartete Einflussnahme auf die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler. Der CNE trägt alle Kosten der An- und Abreise, der Unterkunft und Verpflegung sowie des Transports vor Ort im Rahmen der Wahlbeobachtung. Eine Erstattung privat motivierter Fahrten vor Ort, Honorierungen oder andere materielle Vergünstigungen erfolgen nicht. Man merkt der professionellen Organisation der Wahlen an, dass wie viel Wert die verantwortlichen Institutionen auf ihren korrekten, transparenten und fairen Ablauf legen."
Fazit aus dem Abschlussbericht der internationalen Wahlbegleiterdelegation:
1. Nach unserem gemeinsamen Eindruck haben wir einen Wahlgang begleitet, der methodisch und technisch auf einem sehr hohen Niveau organisiert wurde. Die benutzten Instrumente schienen uns trotz einiger Schwächen, an denen bis zu zukünftigen Wahlgängen gearbeitet werden sollte, hinreichend erprobt und ausgefeilt.2. Die Wahlbehörde CNE genießt bei den Bürgern ein hohes Maß an Vertrauen, insbesondere was die Professionalität und die Unabhängigkeit ihrer Arbeit angeht. Die aktive Mitarbeit aller interessierten Parteien sowie die Wahlbeteiligung der Bürger sind der beste Indikator für das Vertrauen der venezolanischen Bürger in ihr Wahlsystem.
3. Die Rolle, die die Armee über den „Plan República" an der Organisation des Wahlgangs gespielt hat, zeugt von einem positiven demokratischen Selbstverständnis und gesellschaftlichen Engagement der Streitkräfte und von einem hohen Maß an Vertrauen der Bürger in die Armee.
4. Die Anwesenheit internationaler Wahlbegleiter stellt eine zusätzliche Garantie für den transparenten Ablauf des Wahlgangs dar.
5. Wir konnten selbst erleben und bestätigen, wie tief die venezolanische Demokratie und das Vertrauen der Bürger in die Wahlbehörden verwurzelt sind. Die Wahlergebnisse erscheinen uns deshalb im Ergebnis als völlig legitim.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch die von der Union der Interamerikanischen Wahlorganisationen (UNIORE) und vom Parlament des Mercosur entsandten Beobachtergruppen.
Verschiebung der Vereidigung verfassungsgemäß
Unterdessen hat der venezoelanische Verfassungsgerichtshof in einem einstimmig ergangenen Spruch geurteilt, dass die verspätete Vereidigung des im Oktober wieder gewählten Präsidenten verfassungsgemäß ist. Hugo Chávez leidet an Krebs und befindet sich zu Behandlung in Kuba, weshalb er zur für den 10. Januar angesetzten Vereidigung als Staatspräsident nicht anreisen konnte. Die Opposition im Land ebenso wie kritische Stimmen aus dem Ausland ziehen seither in Zweifel, dass die Wahlen mit dem Nichterscheinen des gewählten Präsidenten noch gültig sein können.