Schritt voraus, trippelnd zurück: Innenausschuss für besseren Datenschutz
HINTERGRUNDBEITRAG von KARSTEN PETERS
Mit Argusaugen beobachtet wurden die Abgeordneten im Innenausschuss des Europäischen Parlaments, als sie am Montagabend über den künftigen Datenschutz in der Europäischen Union abstimmten. Große Internetunternehmen auf der einen Seite, VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Organisationen und Datenschützer auf der anderen Seite beobachteten genau, was da in Straßburg für die noch erforderlichen Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und Rat als Vertretung der Mitgliedsländer vorbereitet wurde.
Cornelia Ernst, die den Bericht für die LINKE im Europäischen Parlament bearbeitet, sieht in dem abgestimmten Papier ein deutliches Statement für den Datenschutz in Europa. Gelinge es dem Parlament, seine Position gegenüber dem Rat durchzusetzen, dann würden „Unternehmen wie Google, Yahoo oder Facebook, die im Rahmen von PRISM helfen, Europas Bürgerinnen und Bürger ausspähen, künftig illegal agieren."
Dennoch sieht Ernst auch Schwachstellen: Der Ausschuss habe es zum Beispiel versäumt, das Erstellen von Profilen grundsätzlich zu verbieten oder zumindest unter Zustimmungsvorbehalt zu stellen. Zahlreiche Unternehmen erstellen aus personenbezogenen Daten persönliche Profile („Profiling"). Anhand dieser Profile lässt sich das Verhalten von Personen weitgehend analysieren, in begrenztem Umfang lassen sich verlässliche Voraussagen über sein künftiges Handeln treffen. Wer sich im Internet zum Beispiel für hochwertige Lautsprecher interessiert, bekommt dann demnächst Werbung für Lautsprecherkabel und High-End-Verstärker auf den Schirm. Der abgestimmte Text erlaubt dieses Profiling, wer dem nicht zustimmt, muss Widerspruch einlegen.
Schritt voraus, trippelnd zurück
Auch die Spezialisten der Initiative Digitalcourage (ehemals FOEBUD e.V.) sehen in den vorliegenden Texten einen Schritt nach vorn – und mindestens einen Trippelschritt nach hinten. Ein besonders großes Schlupfloch sieht der Verband in der schwachen Formulierung des Datenschutzes vor dem Zugriff von Drittunternehmen: Unternehmen, mit denen der Kunde nicht unmittelbar in Geschäftsbeziehung steht, müssen, soweit leuchtet das ein, unter bestimmten Umständen Daten von diesem Kunden nutzen, etwa wenn Geld von einem Konto auf ein anderes überwiesen wird, eine Spedition mit der Auslieferung einer Bestellung beauftragt wird oder ähnliches. Im vorliegenden Text heißt das „berechtigtes Interesse" („legitimate interest"). Und genau das, so Dennis Romberg von Digitalcourage, sei das Problem: „Das berechtigte Interesse ist nicht ausreichend scharf definiert und weil das auf Dritte angewendet werden kann, versteckt sich hier ein großes Schlupfloch für alle Unternehmen, die nicht sauber arbeiten."Joe McNamee, Vorsitzender der Europäischen Initiative für digitale Rechte (EDRI, European Digital Rights) wird noch deutlicher: „Wenn diese Passage so stehen bleibt, würde das Internetunternehmen nahezu freies Feld einräumen im Stillen unsere Daten zu sammeln, Profile zu erstellen und unsere Daten an den Höchstbietenden zu verkaufen."
Noch viel Gelegenheit zur Verwässerung
Juristisch betrachtet besteht das Datenschutzpaket aus einer Richtlinie und einer Verordnung – und das hat unmittelbare Auswirkungen auf die künftigen Vorschriften. Europäische Richtlinien müssen, nachdem sie von EU-Parlament und Rat abgestimmt wurden, zunächst in nationales Recht umgesetzt werden, in Deutschland geschieht das im Bundestag. Dabei haben die Mitgliedsstaaten immer einen gewissen Interpretationspielraum. Eine Europäische Verordnung dagegen gilt unmittelbar, ohne dass sie auf nationaler Ebene noch einmal abgestimmt werden müsste. Hiermit soll eine Vereinheitlichung der Datenschutzstandards in der EU erreicht werden.Ob die Novelle des Datenschutzes in absehbarer Zeit verabschiedet wird, steht indes in den Sternen: Vor rund eineinhalb Jahren hat Justizkommissarin Viviane Reding ihre Vorschläge für die Überarbeitung vorgelegt, die der Ausschuss des Parlaments jetzt geändert und abgestimmt hat. Von den Innenministern der Mitgliedsländer fehlt bislang jede Stellungnahme. Damit eine Einigung noch vor den Wahlen zum EU-Parlament im Mai erreicht werden kann, müssten die Trilogverhandlungen zwischen Parlament, Rat und EU-Kommission jedoch zügig beginnen.