Bankenregulierung kann auch sozial Schwache in den Mittelpunkt stellen

Rede zur Konten-Richtlinie im Plenum des EU-Parlaments

11.12.2013
Jürgen Klute
Jürgen Klute, die LINKE.: EU-weites Recht auf Girokonto

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Mit der Abstimmung morgen zeigt das Europäische Parlament, dass Bankenregulierung auch die Interessen sozial schwacher Bürger ins Zentrum stellen kann. Verbraucher, Sozialverbände, Schuldnerberatungen und Migranten haben die Initiative, hinter die wir uns morgen stellen, über Jahre eingefordert. Gerade was das zentrale Element der Konten-Richtlinie angeht – den EU-weiten Rechtsanspruch auf ein einfaches Girokonto – hat das Europa-Parlament in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Vor eineinhalb Jahren haben wir die Kommission mit breiter Mehrheit aufgefordert, eine Richtlinie in diesem Sinne vorzulegen. Die Kommission hat dem am 8. Mai entsprochen.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Schattenberichterstattern, bei Frau Gebhardt, bei Frau Bowles und den Koordinatoren im Wirtschaftsausschuss und bei allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen, im Ausschuss und in den Mitarbeiterbüros ausdrücklich für die gute und effiziente Zusammenarbeit bedanken. Ich denke wir haben es geschafft, die Parlaments-Arbeit in einem guten Tempo zu bewältigen. Ich möchte mich auch ausdrücklich bei der litauischen Ratspräsidentschaft bedanken, dass sie das Verbraucherrecht aufs Konto zu einer Priorität ihrer Arbeit gemacht hat.

Wir können es schaffen – und ich freue mich, dass Kommissar Barnier das auch so sieht – die Konten-Richtlinie in dieser Legislatur zu verabschieden. Ich finde das wäre ein gutes Zeichen, dass sich in der EU auch sozialer Fortschritt vorantreiben lässt. Ich sage das ein Stück weit auch an die Adresse der Linken, aber das ist ein anderes Thema.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Binnemarkt hat dieses Jahr seinen 20. Geburtstag gefeiert. Bei den Verbrauchern, und zunehmend auch bei Arbeitnehmern ist vom Binnenmarkt aber immer noch nicht viel zu wenig angekommen. Wenn wir das nicht ändern, wird es uns immer schwerer fallen, die Bürger vom europäischen Projekt zu überzeugen. Für einen Arbeitnehmer oder einem Studenten, der nach Großbritannien oder Italien zieht, darf es kein langwieriger Kraftakt sein, ein neues Konto zu eröffnen oder ein altes Konto zu schließen! Das sind Erfahrungen, die in der EU von heute nichts zu suchen haben. Die Richtlinie soll deshalb dafür sorgen, dass Verbraucher in dem Mitgliedsland, in dem sie wollen, ein Girokonto eröffnen können, mit dem sie grundlegende Zahlungsdienste nutzen können.

Der Bankensektor hat die Forderung eingebracht, dass Verbraucher dieses Recht erst dann in Anspruch nehmen dürfen, wenn sie eine persönliche Verbindung zu dem EU-Staat nachweisen können, in dem sie ein Basiskonto eröffnen wollen. Ich bin den Kollegen im Ausschuss, die diese Ansicht geteilt haben, entgegen gekommen, weil das ohnehin die Normalität sein wird, dass Bürger ihren Rechtsanspruch dort nutzen wollen, wo sie eine Beschäftigung suchen, studieren oder einen anderen Bezug haben. Ich finde aber nicht, dass wir als europäische Institution Mitgliedsländern vorschreiben müssen, dass solch ein Bezug zum Mitgliedsland abgefragt wird.

Ich habe in diesem Sinne einen Antrag eingebracht, den ich auch im Ausschuss wortwörtlich als Kompromiss vorgelegt hatte. Ich hoffe, dass Sie diesen Antrag unterstützen können, ebenso wie den Antrag, den ich gemeinsam mit meinem Kollegen Philippe de Backer eingebracht habe. Hier geht es ebenfalls darum, Mitgliedsländern flexiblere Möglichkeiten zur Gestaltung des Zugangsrechts aufs Konto an die Hand zu geben.

In diesem 20. Jahr des Binnenmarktes ist es auch gut, dass wir Verbraucher ein modernes Grundrecht an die Hand geben. Bargeldzahlungen werden immer mehr ersetzt, in einigen Ländern sind größere Barzahlungen aus Gründen der Gefahr der Steuerhinterziehung bereits verboten. Ein Konto ist deshalb eine Notwendigkeit, von der beinahe 60 Millionen EU-Bürger ausgeschlossen sind. Es ist ein deutliches Zeichen, dass wir Banken stärker in die Pflicht nehmen müssen, ihre gesellschaftlichen und ökonomischen Aufgaben zu erfüllen.

Bankkunden müssen gestärkt werden. Dazu gehört es, Gebühren und Zinsen vergleichbar und durchschaubar zu machen und Kontowechsel zu vereinfachen. Ich freue mich, dass beinahe alle Fraktionen diese Grundanliegen geteilt haben. Die meisten Punkte, bei denen wir unterschiedliche Auffassungen hatten, haben die Frage betroffen, wie viel Harmonisierungen auf EU-Ebene nötig sind, und wie viel wir den Mitgliedsländern überlassen sollten. Das wird eine Frage sein, die bei den Verhandlungen mit dem Rat wieder auf dem Tisch liegen wird.

Ich denke, die Mitgliedsländer hatten Zeit, eigenständige Lösungen zu entwickeln, die Ziele der Richtlinie umzusetzen. Sie haben es in ihrer Mehrheit nicht getan. Dass die Kommission diese Richtlinie vorgelegt hat, lag auch daran, dass nur wenige Mitgliedsländer auf die Empfehlung der Kommission aus 2011 reagiert haben, das sollten wir nicht vergessen! Trotzdem finde ich, haben wir hier einen tragbaren Kompromiss gefunden, der beiden Sichtweisen Rechnung trägt, und die nötige Flexibilität erlaubt, um auf nationale Besonderheiten einzugehen.

Danke sehr!