Jürgen Klute - Ein Mann der Kirche für Brüssel

von Thorsten Keim, erschienen in der WESTFALENPOST (Politik)

30.05.2009

Bochum. Jürgen Klutes Herz schlägt links. Ein Mann der Kirche, Sozialist, im Ruhrgebiet zuhause: Für die Linkspartei ist er der ideale Kandidat für das Europaparlament. Die Kritik seiner Partei an den Brüsseler Institutionen teilt Klute: zu bürgerfern, nicht demokratisch. Dagegen will er angehen.

Um die Vielfalt der Sprachen und Mentalitäten im Europäischen Parlament bildhaft zu machen, wird gerne zum biblischen Vergleich gegriffen. In Brüssel und Straßburg, so der Spruch, gehe es zu wie im Babylonischen Turm. 785 Abgeordnete aus 27 Mitgliedsstaaten sitzen da, es gibt 23 Amtssprachen. Dabei sind die Regionalsprachen wie Katalanisch, Baskisch, Korsisch oder Gälisch noch gar nicht eingerechnet.

Ab dem 7. Juni will Jürgen Klute Bestandteil dieses Multi-Kulti-Parlamentes sein. Der im westfälischen Bünde geborene 55-Jährige kandidiert für die Linkspartei auf Platz sechs der Europaliste und ist aus NRW der Kandidat mit der höchsten Platzierung. Selbst wenn die Umfrageergebnisse für seine Partei, die zuletzt in der Regel bei rund zehn Prozent lagen, dramatisch einbrechen sollten: Klute ist auf jeden Fall dabei.

EU-Skeptiker

Mit ihrem EU-Wahlprogramm übertrifft die Linke alle: nicht nur die politische Konkurrenz, sondern auch die bisherigen eigenen Positionen. In der Linken haben sich die Kräfte durchgesetzt, die auf radikalere Forderungen setzen. Dennoch ist es gar nicht so einfach herauszufinden, was die Linke von Europa hält. Das Programm liest sich einmal wie ein Feldzug gegen die EU, um dann an anderer Stelle, frei nach Alfred Biolek, festzustellen: „Gaaaaar nicht so schlecht." Dennoch: Die Kandidaten sind unisono stramme Europaskeptiker. „Die Europäische Union ist nicht demokratisch. Ihrem Parlament fehlt das Recht, Gesetze zu initiieren und über bedeutende politische Fragen mitzuentscheiden. Bürgerinnen und Bürger gehen deswegen zu Recht auf Distanz, Lobbyisten bekommen so noch mehr Einfluss auf die Politik", kritisiert Klute. Dagegen will er kämpfen, und dafür, dass die Interessen der Arbeitnehmer künftig besser geschützt werden.

Gegen den Lissabon-Vertrag

Den Lissabon-Vertrag lehnt der Hobby-Fotograf ab. „Er hebelt die Grundrechte aus. Arbeits- und Sozialstandards werden in Frage gestellt. Durch den Lohnkonkurrenz-Druck verlieren auch immer mehr Gewerkschaften den Spaß an Europa", meint das Verdi-Mitglied entdeckt zu haben. Und er will, dass der EU-Markt nicht gemeinnützige Arbeit wie die Erwachsenenbildung der Kirche, in der er arbeitet, unmöglich macht.

Europa hat ein Vermittlungsproblem. Auch wenn die EU detailliert alle Fakten zu ihrer Arbeit aufbereitet - es hapert an der Übersetzung, daran, den Menschen zu erklären, welche Auswirkung welche Entscheidung auf ihr persönliches Leben hat. Stattdessen wird die EU als bürokratischer Moloch wahrgenommen, der Krümmungswinkel für Gurken festlegt und Seilbahnrichtlinien für Flachländer erlässt. Für Klute ist der Bürokratie-Begriff indes nicht ausschließlich negativ besetzt. „Bürokratie bedeutet auch Demokratie. Sie sorgt dafür, dass bestimmte Spielregeln eingehalten werden."

Herne bleibt ein Anlaufpunkt

In dieser Hinsicht schwimmt Klute gegen den populistischen Strom, den viele seiner Partei vorwerfen. Ein Betonkopf scheint er nicht zu sein, dafür vieles andere: evangelischer Theologe, der in Dorsten unter Tage, an einer Berufsschule als Pfarrer und in Brasilien mit kleinen Gemeinden gearbeitet hat. Seit 2007 ist er Studienleiter in der Evangelischen Stadtakademie Bochum.

Nach dem 7. Juni wird diese Stelle neu ausgeschrieben werden müssen. Jürgen Klute pendelt dann in europäischer Mission zwischen Straßburg, Brüssel und seinem Wohnort Herne und versucht sich beim spannenden Balanceakt, seinen sozialistischen Idealen treu zu bleiben und dennoch europäische Realpolitik zu betreiben.

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