Neue Regeln für neue Blasen
Die Frage, wie es nach der Krise mit den Finanzmärkten weitergehen soll, wird heiß diskutiert. Glaubt man den Erklärungen von Merkel & Co, etwa nach dem G 20-Gipfel in Pittsburgh, sind große Reformen zu erwarten, müssen sich Banken, Hedge-Fonds und ihre großzügig dotierten Manager künftig warm anziehen. Doch weil politische Entscheidungen nicht in Talkshows oder Pressekonferenzen gefällt werden, lohnt ein Blick hinter die Kulissen – nach Brüssel.
Die Bankenpleiten und milliardenschwere, von den Steuerzahlern bezahlte Rettungspakete haben auf brutale Art und Weise gezeigt, auf welch hohlem Fundament die Finanzmärkte, auch in Europa, fußen. Die EU-Kommission weigerte sich jahrelang, mahnende Stimmen aus dem Europäischen Parlament zur Kenntnis zu nehmen, die auf akute Kontroll- und Transparenzlücken verwiesen.
Nun scheint es, zumindest auf den ersten Blick, als habe im Haus des zuständigen Kommissars McGreevy ein grundlegender Sinneswandel stattgefunden. Bereits Ende Mai wurde dem Europäischen Parlament ein Dokument vorgelegt, mit dem ein erster Schritt zur Regulierung sogenannter »alternativer Investmentfonds« gemacht werden soll. Als »alternativ« bezeichnet die Kommission hochriskant agierende Fonds, die mit Rohstoffen und Immobilien spekulieren, mit geliehenen Geldern zocken (Hedge-Fonds) und kleine und mittelständische Unternehmen so zurechtstutzen, bis nur noch Geschäftsbereiche übrig bleiben, die mit möglichst wenig Beschäftigten möglichst hohe Renditen versprechen. 2008 verwalteten solche Fonds Vermögen von zwei Billionen Euro. Ein bedeutender Teil dieser Vermögen speist sich aus privaten, kapitalbasierten Rentenversicherungen.
Nach dem Willen der Kommission sollen nun Zwischenhändler, die diese spekulativen Finanzprodukte in der EU vertreiben, eine Zulassung beantragen. Wenn sie bestimmte Mindestkriterien erfüllen, dürfen sie auf allen Märkten der EU agieren. Neben allen positiven Ansätzen, auf Mindestanforderungen an Transparenz zu pochen, ist klar, dass Binnenmarktkommissar Charlie McGreevy Hedge-Fonds auf diese Weise auch in Europa zum Durchbruch verhelfen will. Die Spekulantenzunft bekommt nicht nur einen seriösen »Anstrich«, durch die europaweite Zulassung der Händler will die EU auch die Integration der in weiten Teilen noch immer national orientierten Finanzbranche vorantreiben – prinzipiell sehr zur Freude der Branchenriesen. Die Richtlinie zu Hedge Fonds & Co ist dabei lediglich Auftakt für ein ehrgeiziges Regulierungsprojekt, an dem gegenwärtig in Brüssel gearbeitet wird. Wie das Vorhaben der Kommission, für den europäischen Finanzsektor neue Aufsichtsstrukturen unter Ägide der Europäischen Zentralbank zu schaffen, ausgehen wird, ist jedoch völlig offen. Während die Lobbyisten auf Verwässerung der geplanten Kontrollmechanismen drängen, wollen viele Regierungen Brüssel ganz heraushalten.
Wie sehen demgegenüber die Forderungen der LINKEN im Europäischen Parlament aus? Wir fordern, dass Hedge-Fonds grundsätzlich verboten werden. In ihnen können wir nichts »innovatives« finden, sondern lediglich ein perfides Geschäftsmodell, das Gewinne für wenige bereithält, die Risiken aber ganzen Volkswirtschaften aufbürdet. Im Gesundschrumpfen des Finanzsektors sowie in einer Vergesellschaftung der Privatbanken sehen wir den einzigen Ausweg, um Spekulationsblasen effektiv zu verhindern. Davon ist jedoch weder in Brüssel noch in Berlin die Rede. Im Gegenteil. Sollte, wie von Schwarz-Gelb geplant, die Pflegeversicherung privatisiert werden, fließen weitere Milliarden auf die Märkte. Bis sie sich dort neue Blasen schaffen, ist nur eine Frage der Zeit. Bis die Blasen wieder platzen und reale Unternehmen und Arbeitsplätze mit sich reißen, ebenso.