Ein bisschen mehr regulieren

EU-Parlamentarier stimmen über Nahrungsmittelspekulation ab

28.09.2012
Astrid Goltz (campact)

Ein Ringen bis zum Schluss – heraus kam ein Kompromiss mit Schwachstellen. Gestern stimmten EU-Parlamentarier im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) über eine stärkere Regulierung der Agrarrohstoffbörsen ab. Das Ergebnis: Im Parlament will man mehr Regulierung als die Kommission vorgeschlagen hat. Aber für ein Ende der Spekulation mit Weizen und Mais auf europäischen Börsen reicht das nicht aus. Dafür hat der Vorschlag Schlupflöcher bei den Grenzen für Spekulation und geht Verbote bestimmter Finanzprodukte überhaupt nicht an.

Einen Erfolg gibt es bei Positionslimits – Obergrenzen für die Anzahl der Verträge, die jeder Händler abschließen darf. Seit Monaten forderten wir sie im Verbund mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Obergrenzen würden die Spekulation großer Finanzinvestoren ausbremsen, die die Preise zum Schwanken bringen kann, und ihrer Marktkonzentration entgegenwirken. Die Kommission wollte Positionslimits "oder alternative Regelungen gleichwertiger Wirkung" – so unverbindlich hätte das in der Umsetzung weiter freies Spiel für die Spekulanten bedeutet. In der abgestimmten Position des ECON-Ausschusses stehen jetzt Positionslimits als verbindliche Maßnahme.

Das sah zwischenzeitlich anders aus. Eine Flut von Änderungsanträgen der Konservativen und Liberalen forderten weniger Verbindlichkeit und weniger Pflichten für Banken und Hegdefonds. Der deutsche CDU-Abgeordnete Werner Langen wollte etwa die Limits ganz streichen. Berichterstatter Markus Ferber (CSU) nahm seinem ersten Vorschlag mit eigenen Änderungsanträgen die Schärfe. Wir reagierten mit einem Online-Appell an Ferber und Langen und entrollten Banner in der folgenden Ausschusssitzung (Blogeintrag vom 12. Juni). Dass unser hartnäckiger Protest etwas gebracht hat, zeigt das heutige Abstimmungsergebnis.

Die Positionslimits gibt es allerdings nur mit Schlupflöchern: So gelten die Obergrenzen nicht zwingend für alle Handelsmonate und können daher umgangen werden. Sie umfassen kaum den unkontrollierten Handel außerhalb der Börsen: Nur wenn die Geschäfte schon auf kontrolliertere Handelsplätze, die neu geschaffenen OTS-Märkte, geleitet wurden, werden sie erfasst. Ob man als Händler die Obergrenze erreicht, beruht auf einer Gegenrechnung von Kauf- und Verkaufpositionen. Viel genauer wären Grenzen, wenn sie sich getrennt auf die Kauf- und Verkaufpositionen beziehen würden. Hier sind also einige Schlupflöcher vorhanden, die sich Spekulanten zunutze machen könnten.

Positiv ist, dass die europäische Kontrollbehörde ESMA die Möglichkeit hätte, die Limits nach Händlerklassen zu differenzieren. Sie könnte also den Handel von Indexfonds oder Hedgefonds mit Agrarrohstoffen besonders begrenzen. Dies beschloss der ECON-Ausschuss nach einem Antrag der Sozialdemokraten noch in letzter Minute.

Eine wichtige unserer Forderungen, die die Nahrungsmittelspekulation von Indexfonds schlicht beenden würde, stand am Ende gar nicht mehr zur Abstimmung: das Verbot von Indexfonds auf den Agrarrohstoffmärkten. Zuvor hatten Sozialdemokraten und Linke im Parlament die Forderung nach dem Verbot bestimmter Finanzprodukte erhoben, konnten sich damit aber leider nicht durchsetzen.

Nach dem Parlament ist nun der Ministerrat an der Reihe, seine Position zur Regulierung der Rohstoffbörsen abstimmen. Auch das Plenum des Parlaments wird die Abstimmung des ECON-Ausschusses noch billigen müssen. Erst wenn sich beide Parlament und Rat einigen können, wird die Finanzmarktrichtlinie (MiFID) zum Gesetz. Hier müssen die vorhandenen Schlupflöcher geschlossen und weitere Regulierungsmaßnahmen beschlossen werden. Dafür werden wir weiter streiten!

Da die Entscheidung der Finanzminister als nächstes ansteht, werden wir in den kommenden Wochen die über 100.000 von Campact, Attac, Oxfam und Misereor gesammelten Unterschriften an Bundesfinanzminister Schäuble übergeben. Und zum Welternährungstag machen wir mit einer weiteren Großaktion auf das Thema Nahrungsmittel-Spekulation aufmerksam. Als Protestorchester schlagen wir mit Hunderten von Menschen auf 925 leeren Töpfen Alarm. Die Zahl steht für die 925 Millionen derzeit Hungernden weltweit. Am Sonntag, den 14. Oktober können Sie mit dabei sein!

Schon jetzt hat die Aktion Hunderte Unterstützer/innen: Hunderte von Paketen mit Töpfen, zum Teil wunderschön mit eigenen Slogans gestaltet, haben in den letzten zwei Wochen das Campact-Büro geflutet und die Postboten ins Schwitzen gebracht. Wir haben die ungeheure Zahl von 925 Töpfen jetzt erreicht. Vielen Dank für Ihre tollen Topfspenden!

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Der Bericht von Astrid Goltz ist auch bei http://blog.campact.de nachzulesen - HIER!