Agrarreform in hellgrün. EU-Parlament verwässert Kommissionspläne

19.03.2013
Hanna Penzer

Mehr als 50 Jahre seit Bestehen der europäischen Landwirtschaftspolitik hat das EU-Parlament vergangene Woche sein Gesellenstück in Sachen Ackerbau und Viehzucht geliefert. Beschlossen 1958 im italienischen Stressa, in Kraft seit 1962 ist die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nicht nur einer der ältesten vergemeinschafteten Politikbereiche. Milchseen, Gurkenkrümmungsnormen und eine intransparente und bürokratische Umsetzung haben auch wesentlich das Bild der Bürger von Europa geprägt und die berüchtigsten Klischees über die Brüsseler "Eurokratie" in die Welt gesetzt.

Mit dem Vertrag von Lissabon hat das EU-Parlament seit 2009 nicht nur das volle Mitentscheidungsrecht über den EU-Haushalt hinzugewonnen, sondern auch über seinen größten Einzelposten: die gemeinsame Agrarpolitik. Parallel zur Aushandlung des neuen EU-Finanzrahmens ab 2014 hat das Parlament deshalb in der vergangenen Woche auch seine Position zu den Leitlinien der künftigen europäischen Landwirtschaftspolitik abgesteckt. Was 1962 die sichere Versorgung der Verbraucher in Europa mit Milch, Fleisch und Gemüse war, ist heute der Schutz der natürlichen Ressourcen und der Erhalt lebenswerter ländlicher Räume. Landwirtschaftskommissar Dacian Cioloş hat deshalb im Oktober 2011 einen Reformvorschlag vorgelegt, der die Agrarpolitik ab 2014 grüner und gerechter machen sollte. Die EU-Abgeordneten haben ihr Gesellenstück jedoch mehr schlecht als recht geliefert und viele sinnvolle Vorschläge der Kommission im Interesse der Agrarindustrie verwässert.

Worum geht es im Einzelnen?

Der Kern des Reformvorschlags der EU-Kommission sah vor, Direktzahlungen, die Landwirte aus dem EU-Haushalt erhalten (sog. „1. Säule der GAP") an mehr Bedingungen zu knüpfen. Stichwort „Greening": Nach dem Willen der Kommission sollte ein Teil der Direktzahlungen davon abhängig gemacht werden, ob Landwirte konkrete Maßnahmen einhalten, um die Fruchtbarkeit ihres Ackerlandes zu erhalten und Artenvielfalt zu schützen. So sollten Agrarbetriebe mindestens sieben Prozent ihrer Bewirtschaftungsfläche als ökologische Vorrangfläche ausweisen, d.h. zeitlich begrenzt eine Auszeit aus intensiver Bewirtschaftung gönnen. Auch die vorgesehene Verpflichtung auf den Anbau mindestens drei verschiedener Kulturen sollte die monokulturelle Verödung der ländlichen Räume bremsen.

Den konservativen EU-Abgeordneten ist es leider gelungen, beide Vorschläge gehörig zu verwässern. Ökologische Vorrangflächen müssen nicht mehr als drei Prozent der Flächen eines Betriebes ausmachen. Schlimmer noch: Möchte ein Landwirt die beschriebenen, höchstens hellgrünen Ökologisierungsauflagen nicht erfüllen, ist es ihm möglich, sich freizukaufen, indem er auf 30 Prozent seiner Subventionen verzichtet.

Stichwort „gerechtere Subventionen": Derzeit erhalten 20 Prozent aller Agrarbetriebe in der EU 80 Prozent der gesamten Direktbeihilfen. In Frankreich etwa erhalten die 160 größten Betriebe gemeinsam alleine 123 Millionen Euro an Direktbeihilfen. Die Hälfte aller Betriebe der EU, die jährlich über 500.000 Euro Subventionen erhalten, liegen in der Bundesrepublik, vor allem in den neuen Bundesländern. Die übermäßige Subventionierung von Großbetrieben kostet nicht nur unnötig viel Steuergeld, sie erhöht auch den Wettbewerbsdruck, unter dem kleinere, bäuerliche Betriebe ächzen. So beschweren sich etwa Jungbauern aus Brandenburg, dass sie kaum eine Chance auf einen eigenen Hof haben, da Agrarkonzerne alles Ackerland aufkaufen, dessen sie habhaft werden können. Das EU-Parlament hat sich dem Vorschlag der Kommission angeschlossen, nachdem ein einzelner Beitrieb künftig nicht mehr als 300.000 Euro an Direktbeihilfen erhalten soll.

Keine Prämien für Landbesitz

Agrarhilfen sollen künftig nicht mehr an Golfplatz- oder Flughafenbetreiber fließen. Was wie ein schlechter Witz klingt, hat seinen Hintergrund in der aktuellen Regelung, nach der bereits der Besitz von Landflächen belohnt werden kann. Kommission und Parlament wollen nachbessern und Subventionen nur an „aktive" Bauern auszahlen. Junglandwirte, die kleine oder mittlere Höfe betreiben, können bald mit einer zusätzlichen Förderung rechnen – ihnen soll ein Plus von 25 Prozent zustehen. Und schließlich haben sich die EU-Abgeordneten – gegen die Empfehlung ihres Fachausschusses – dafür ausgesprochen, die Offenlegung aller Agrar-Subventionen zu erzwingen.

Entschieden ist mit der Abstimmung allerdings noch nichts. Was nun ansteht sind komplizierte Verhandlungen mit den Landwirtschaftsministern über die künftige Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft.