EZB steht sich selbst im Weg.
Demokratische Kontrolle der Bankenaufsicht
Das EU-Parlament will den Weg frei machen für die schnelle Einrichtung einer europäischen Bankenaufsicht, die die großen Banken der Eurozone unter die Kontrolle der Europäischen Zentralbank (EZB) zwingen soll. Doch weil sich die Verhandlungsführer nicht auf die Ausgestaltung einer verbesserten demokratischen Rechenschaftspflicht der EZB einigen konnten, verzichteten die Abgeordneten in ihrer heutigen Abstimmung vorläufig auf die endgültige Verabschiedung des Gesetzespakets.
Jürgen Klute, Koordinator der Linken im Wirtschafts- und Währungsausschuss im Europäischen Parlament übt Kritik: „Mit der zentralen Aufsicht könnte endlich eine Einrichtung geschaffen werden, die auf Augenhöhe mit europäisch agierenden, den freien Kapitalverkehr nutzenden Großbanken steht. Diese Chance besteht immer noch mit dem vorliegenden Text. Gegenwärtig steht die EZB sich jedoch selbst im Weg." Das Gesamtpaket wollen die Parlamentarier erst absegnen, wenn Einigkeit mit der EZB unter anderem über die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsgremiums erreicht ist. Das Parlament will aus einer Gruppe geeigneter Kandidaten für die beiden Vorsitzenden wählen können, die EZB will lediglich einen vorschlagen, den das Parlament dann bestätigen oder zurückweisen kann.
Bis Oktober wollen die Abgeordneten mit der EZB eine so genannte „Interinstitutionelle Übereinkunft" treffen. Diese Vereinbarungen regeln die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Institutionen der EU, hier ist es die konkrete Ausgestaltung der Kontrolle durch das Parlament. GUE/NGL, Grüne und Liberale machten sich im Parlament dafür stark, die Endabstimmung über die Gesetzespakete zu verschieben, bis klar ist, wie die Vereinbarung mit der EZB letztlich aussehen wird. Klute: „Das ist der einzig richtige Weg: akzeptabel ist die zentrale Aufsicht nur dann, wenn sie nicht nur fachlich kompetent und mit ausreichenden Rechten ausgestattet ist. Sie muss sich für ihr Handeln vor dem Europäischen Parlament verantworten. Erst wenn wir darüber Klarheit haben, können wir über die neue Aufsicht wirklich abstimmen – sonst gehen wir das Risiko des Zauberlehrlings ein: wir geben dem wirtschaftspolitischen Schwergewicht EZB noch mehr Macht ohne den Gegenzauber zu haben."
Im Gesetzestext wurde bislang lediglich festgeschrieben, dass das Parlament den Vorsitzenden und dessen Vize bestätigen muss. Beide Personen können gemeinsam von Rat und Parlament abgesetzt werden. Zudem kann das Parlament den Vorsitzenden zu Anhörungen laden und die Aufsicht in Einzelfällen detailliert untersuchen. Klute: „Demokratische Kontrolle sieht anders aus – der Einfluss des Europäischen Parlaments ist minimal. Und das, obwohl die Europäische Zentralbank bereits jetzt eine der mächtigsten Institutionen der EU ist und mit der Bankenaufsicht erheblich gestärkt wird."
Unterdessen heißt es aus Verhandlungskreisen, dass die EZB bei den ersten Abstimmungsgesprächen mit Abgeordneten kaum Interesse an weiter gehender demokratischer Kontrolle zeigte. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar angezweifelt, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments sich an Vertraulichkeitszusagen halten, wenn es um sensible Aspekte bei der Aufsicht geht.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat oft genug gezeigt, dass die nationalen Behörden in erster Linie nationale Interessen im Blick hatten und im Zweifel nicht besonders genau hingesehen haben." Bis zuletzt konnten sich die Verhandlungsführer in der Vermittlung zwischen Europäischem Rat und Parlament jedoch nicht auf detaillierte Regeln für eine demokratische Kontrolle des Aufsichtsgremiums in der Europäischen Zentralbank einigen.
Solange die Aufsicht dabei zumindest die jeweilige Volkswirtschaft vor Bankenkrisen schützt, ist ihnen daraus kein Vorwurf zu machen. Aber, so Klute weiter: „Risikoeinschätzungen der Bundesbank und der Bafin über Investitionen in Griechenland führen fast zwangsläufig zu verändertem Investitionsverhalten deutscher Banken auf der Halbinsel – entsprechende Wechselwirkungen mit der griechischen Wirtschaft ergeben sich zwangsläufig. Und ob eine europäische Bankenaufsicht so nachsichtig mit den riskanten Geschäften der deutschen Landesbanken umgegangen wäre, kann zumindest bezweifelt werden."
Straßburg, 22. Mai 2013