Sturheit europäischer Eliten ist erstaunlich
PRESSEMITTEILUNG von JÜRGEN KLUTE
Zu den Aussagen des irischen Premierministers Brian Cowen von der neoliberalen Regierungspartei Fianna Fáil im "Handelsblatt" vom Montag, 27. Juli erklärt der Europa-Abgeordnete Jürgen Klute (Die Linke) aus Herne:
Die Sturheit der europäischen Regierungseliten löst Erstaunen aus. Nach dem Scheitern der EU-Verfassung in den Referenden in Frankreich und Niederlanden hatten sie sich eine "Denkpause" verordnet. Das Ergebnis des Nachdenkprozesses bestand darin, die Bevölkerungen der EU-Staaten vom Reformprozess des Verfassungstextes auszuschließen und diesen mittels Hinterzimmerpolitik technisch so anzulegen, dass er, jetzt "Lissabon-Vertrag" genannt, ohne Volksabstimmungen durchgesetzt werden kann.
Allein in Irland ließ sich ein Referendum wegen der Verfassung nicht umgehen. Die irischen Wählerinnen und Wähler stimmten am 12. Juni 2008 mit 53,4 % gegen die Annahme des Vertrags. Immer wieder wurde und wird ihnen dabei unterstellt, ihre Hauptmotive seien Europafeindlichkeit, Protektionismus und ein Festhalten ein niedriger Unternehmensbesteuerung gegeben.
Diese Behauptungen wiederholt auch Premier Cowen, wenn er im Handelsblatt-Interview "die nationale Souveränität bei Steuern" und "das irische Verbot von Abtreibungen" als Bewegunggründe des "No" angibt. Er bleibt zu unrecht ohne Widerspruch, denn eine EuroBarometer-Umfrage kam 2008 zu dem Ergebnis, dass diese Themen nur für 1-6 % der Iren beim Abstimmungsverhalten ausschlaggebend waren.
Viel gewichtigere Ablehnungsgründe waren die schiere Unverständlichkeit des Vertragstextes, die Militarisierungspolitik innerhalb der EU sowie Befürchtungen vor weiteren unsozialen Liberalisierungsschritten. Wie die Festschreibungen des Europäischen Gerichtshofes zulasten von Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechten zeigen, sind diese Ängste mehr als gerechtfertigt.
Die europäischen Regierungseliten verweigern dennoch eine soziale Korrektur des Lissabon-Vertrags und wollen die berechtigten Kritikpunkte der Menschen nicht hören. Vielleicht bleibt am Ende nur noch, sie auf Bertolt Brecht zu verweisen, der seinerzeit an die SED den Hinweis richtete: "Da sich herausgestellt hat, dass unser Volk eine dumme Hammelherde ist, empfehlen wir der Regierung, sich ein anderes Volk zu wählen."