Europaparlament nickt Sparhaushalt für die kommenden sieben Jahre ab

22.11.2013
Julia Klaus

Erstmals in der Geschichte der EU wird der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) gekürzt, und zwar trotz andauernder Krise, neuer Kompetenzen und dem Beitritt Kroatiens. Am 19. November wurde der Haushalt für 2014-2020 im Plenum mit 537 Stimmen angenommen - bei 126 linken und grünen Gegenstimmen und 19 Enthaltungen.

Der Gesamthaushalt für die nächsten sieben Jahre sieht eine Obergrenze für finanzielle Verpflichtungen in Höhe von 960 Milliarden Euro vor. Das bedeutet, dass die EU in den nächsten sieben Jahren Aufträge im Wert von 960 Milliarden Euro vergeben darf. Für die tatsächlichen Zahlungen sind allerdings nur 908 Milliarden Euro vorgesehen. Da die EU sich im Gegensatz zur Bundesrepublik nicht verschulden darf und einige Ausgaben nicht im Voraus planbar sind, muss immer für eine großzügige Reserve gesorgt werden.

Durch Umschichtungen und Namensänderungen der Programme sind die drastischen Kürzungen - vor allem im sozialen Bereich - vom Rat gut verschleiert worden. Trotz anderslautender Behauptungen: die tatsächliche Kürzung des EU-Haushaltes dürfte mindestens 10% betragen, denn ein Teil der "neuen" Gelder wird noch für die Finanzierung laufender Programme benötigt. Zudem ist die vor allem vom Rat so hoch gefeierte "Beschäftigungsinitiative für junge Menschen" keineswegs durchweg mit frischem Geld ausgestattet. Rund die Hälfte für dieses Programm ist dem Europäischen Sozialfonds entnommen und umgewidmet worden.

Kürzen, kürzen, kürzen

Konsequenz wird sein, dass die EU nun jedes Jahr mit Zahlungsengpässen rechnen muss, denn die Jahresbudgets dürfen die im MFR festgelegten Ausgabenobergrenzen nicht überschreiten. Bereits 2012 und 2013 war die EU ab Oktober faktisch zahlungsunfähig. Nach mühsamen Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten genehmigten diese dann zahlreiche zusätzliche Zahlungen, die sogenannten Nachtragshaushalte, damit die Regionen, Städte, Kommunen, Erasmusstudierenden und andere auch die ihnen versprochene EU-Förderung bekommen konnten.

Aufgrund der Krise sind in der EU inzwischen 124 Millionen Menschen von Armut betroffenen, und die Arbeitslosenquote ist auf 12% gestiegen. Besonders betroffen sind Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren in den südlichen EU-Mitgliedsstaaten. So ist etwa in Griechenland und Spanien jeder zweite Jugendliche arbeitslos. Mit diesem Sparhaushalt wird die EU niemals die hohe Arbeitslosigkeit und Armut im Süden bekämpfen können - im Gegenteil, die regionalen Disparitäten werden noch zunehmen. Was Europa jetzt am Dringendsten braucht, ist Wachstum und nicht weitere Sparmaßnahmen.

Bereits seit Beginn der Verhandlungen zwischen Parlament und Rat vor mehr als einem Jahr gab es zwischen den beiden Institutionen heftiges Tauziehen: das Parlament drängte unter anderem darauf, das Defizit für dieses Jahr zu decken und nicht durch Schattenbuchungen aus dem nächsten Haushalt auszugleichen. Zudem verlangte das Parlament eine höhere Flexibilität bei der Mittelverwendung, so dass Geld, das in einem Bereich absehbar nicht gebraucht wird, in einem anderen Feld eingesetzt werden kann.

Diesen Forderungen ist der Rat nur in Teilen nachgekommen - und dennoch hat das Parlament letztendlich zugestimmt. Völlig ohne Not, wie Jürgen Klute erklärt: "Hätte das Parlament dem neuen Finanzrahmen nicht zugestimmt, dann hätte die EU nicht etwa ohne Haushalt dagestanden, der Haushalt 2013 wäre für das nächste Jahr einfach fortgeschrieben worden. Aber die Chance, damit weiter Druck auf den Rat auszuüben, wurde leider vertan."

Jürgen Klute, DIE LINKE.: Wachstum statt Sparpolitik

Übersicht der Ausgaben der EU 2014-2020 (960 Mrd. EUR)

Ausgabenrubrik 1: Intelligentes und integratives Wachstum

Mit einem Höchstbetrag der Mittelbindungen von 450,7 Mrd. € entfallen 47% des Gesamtvolumens auf diese Rubrik. Drei Viertel der Summe sind für die Kohäsionspolitik vorgesehen und sollen die benachteiligten Regionen fördern. Unterkategorien umfassen Forschung und Innovation, Jugendbeschäftigung, Infrastruktur, Erasmus, Raumfahrt und die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen.

Ausgabenrubrik 2: Nachhaltiges Wachstum: natürliche Ressourcen

Der Gesamtbetrag der Mittelbindungen kann bis zu 373,1 Mrd. € (38,9% des MFR) betragen, wovon drei Viertel für marktbezogene Ausgaben und Direktzahlungen in der Landwirtschaft vorgesehen sind. Weitere Politikbereiche sind die Entwicklung des ländlichen Raums, Fischerei und Klimaschutzmaßnahmen.

Ausgabenrubrik 3: Sicherheit und Unionsbürgerschaft

Für Programme in diesem Bereich werden 15,6 Mrd. € (1,6%) zur Verfügung stehen (innere Sicherheit, justizielle Zusammenarbeit, Asyl und Migration, Lebensmittelsicherheit, Kultur, Jugend, Bürgerdialog).

Ausgabenrubrik 4: Europa in der Welt

Für Aktivitäten im Bereich der auswärtigen Beziehungen wie die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sind 58,7 Mrd. € (6,1%) vorgesehen. Ausgelagert aus dem MFR ist der Europäische Entwicklungsfonds (EDF). D.h. ein Großteil der EU-Entwicklungshilfe wird per direkte Zahlungen der Mitgliedsstaaten geleistet.

Ausgabenrubrik 5: Verwaltung

Die Obergrenze für die Administrationskosten liegt bei 61,6 Mrd. € (6,4%). Damit werden unter anderem die Gehälter und Rentenansprüche von Zehntausenden EU-Bediensteten, die Instandhaltung der Gebäude und die Kosten für die Europäischen Schulen beglichen. Verglichen mit den Verwaltungskosten der Bundesrepublik Deutschland ist dieser häufig kritisierte Ausgabenposten relativ gering.

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