Wie weitreichend muss in Ihren Augen ein erwachsener Mensch erzogen und geregelt werden?

Frage auf Abgeordnetenwatch

04.11.2013

Sehr geehrter Herr Klute,

ich beziehe mich auf Ihre Antwort an Herrn Gerhard: Auf welcher Grundlage genau basiert Ihre Annahme, dass Abgeordnete - und hier beziehe ich Sie mit ein - besser wissen, was für den einzelnen Bürger gut ist und was nicht, als eben jener selbst?

Und: Rechtfertigt ein - unterstellter - Wissensvorsprung in Ihren Augen eine Gesetzgebung im Sinne von Verboten und Massregelungen?

Oder auch einfacher ausgedrückt: Wie weitreichend muss in Ihren Augen ein erwachsener Mensch erzogen und geregelt werden?

Für Ihre Mühen bedanke ich mich mit freundlichen Grüssen

Kai Marchfeld - Trossingen

***

Lieber Herr Marchfeld,

natürlich gehe ich gerne noch mal auf Ihre Anmerkungen ein, nachdem wir nun neben dem Grundsatzthema auch Ihre konkrete Frage geklärt haben.

Sie fragen, ob die an der Regulierung der E-Zigaretten beteiligten Gesetzgeber und Gesundheitspoltiker sich einbilden, mehr zu diesem Thema zu wissen als Sie als Konsument beispielsweise. Und ob dieses (möglicherweise nur eingebildete) Mehrwissen die Bevormundung von E-Rauchern rechtfertigt. Ich muss sagen, dass ich Ihre Kritik im Zusammenhang mit der Regulierung, die wir hier diskutieren, nicht teile. - Wieso?

Erstens: Ich finde, moderne Verbraucherpolitik muss darauf zielen, Verbraucher zu stärken und nicht zu bevormunden. Und ich finde, dass dieser Grundsatz bei den aktuellen Plänen zur E-Zigarette auch weitestgehende beachtet wird.

Sie kritisieren die geplante Begrenzung der Nikotinstärke bei E-Zigaretten. Die Beimischung von Nikotin (wir reden hier immerhin von einem Nervengift...) in Tabak- und E-Zigaretten durch die Industrie ist eine Umerziehung Ihres Organismus. Raucher werden gezielt in die Abhängigkeit getrieben, und Ihre "Wahlfreiheit" zu rauchen oder nicht zu rauchen, wird so geschwächt. Ich finde es deshalb überhaupt nicht verwerflich oder bevormundend, wenn die Politik die Nikotinmengen in Zigaretten begrenzt. Ob nun unterschiedliche Obergrenzen für E- oder herkömmliche Zigaretten sinnvoll sind, kann ich nicht beurteilen. Wahrscheinlich wäre es sinnvoller hier einheitlich vorzugehen, aber Regulierungen auf EU-Ebene sind leider oft sehr kleinteilig, und die Kohärenz geht dabei oft verloren.

Zweitens: Der Wissensvorsprung bei diesem Thema liegt nicht bei der Politik. Er liegt aber m.E. auch nicht beim Verbraucher. Ich finde es extrem wichtig und voll und ganz im Sinne des Verbrauchers, wenn die Industrie nun verpflichtet werden soll, die Inhaltsstoffe von E-Zigaretten offen zu legen!

Sie gehen als Nutzer von E-Zigaretten davon aus, dass diese weniger krebserregend sind als herkömmliche Zigaretten. Damit werben Anbieter von E-Zigaretten. Aber wenn die Hersteller die Inhaltsstoffe von E-Zigaretten nicht offenlegen, bleibt nicht viel mehr als der gute Glaube, und finde selbst ich als Theologe nicht ausreichend. Wenn sich in einigen Jahren herausstellen sollte, dass die Gesundheitsschädlichkeit von E-Zigaretten größer war, als man heute denkt, wird gefragt werden, ob die Politik ihre Aufgaben ausreichend wahrgenommen hat. Die Tabakindustrie hat ja auch jahrzehntelang die Schädlichkeit von Tabak-Zigaretten bestritten, und Millionen in entsprechende "Studien" gesteckt...

So viel erstmal. Ich hoffe, dass Sie mit diesen Überlegungen etwas anfangen können.

herzliche Grüße

Jürgen Klute