Schlecker: Eigentum verpflichtet
Offener Brief an die Eheleute Schlecker.
Hier geht's zum Bericht von Jörn Boewe in der jungen welt!
Offener Brief an Eheleute Schlecker
Talstraße 12-21
89584 Ehingen 2009 - 12 - 31
Eigentum verpflichtet
Sehr geehrte Eheleute Schlecker,
Wie Ihnen bekannt sein dürfte, demonstrierten Frauen weltweit und auch in Städten Deutschlands am 25.11.09, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und Mädchen. Leider ist es aber so, dass in Ihren Filialen die dort beschäftigten Frauen der Gewalt bei Überfällen schutz- und hilflos ausgeliefert sind.
Werden die Frauen nicht körperlich angegriffen und/oder verletzt, so leiden sie noch lange Zeit unter der psychischen Belastung, die sich sowohl im privaten, als auch beruflichen Alltag niederschlagen kann.
Es kommt verhältnismäßig häufig zu Überfällen auf Schlecker-Filialen und die werden von Ihnen als Konzernbesitzer offensichtlich hingenommen. Die durch die Überfälle entstehenden Sachschäden dürften durch entsprechende Ver-sicherungen aufgefangen werden. Dass die Überfälle aber nicht nur Sachschä-den zufügen, scheint Sie nicht zu berühren. Für die beschäftigten Frauen (und es sind ausschließlich Frauen, die in Ihren Filialen im Verkauf tätig sind), be-deuten die Überfälle Ängste; Ängste, mit denen sie ganz offensichtlich allein gelassen werden. Häufige Alleinbesetzungen der Filialen, das Wissen um die Gefahr, in der sich die Frauen befinden: Das alles ist für die Beschäftigten tägliche Realität!
Angesichts dessen hat die für den Einzelhandel zuständige Gewerkschaft ver.di einen Sicherheitstarifvertrag eingefordert. Nach unseren Informationen weisen Sie diese Forderung der Gewerkschaft ver.di zurück und überlassen so die beschäftigten Frauen der Gefahr.
Stattdessen setzen Sie auf das neue Vertriebskonzept „Schlecker XL" mit neuen großzügigen Märkten, in denen Sie gekündigte Mitarbeiterinnen der „Alt -Filialen" über die von Ihnen eigens dazu gegründete konzernabhängige Leih-arbeitsfirma „MENIAR", beschäftigen.
Hier zahlen Sie einen Stundenlohn von nur noch 6,50 € pro Stunde (statt 12,50, bzw 13 Euro € derzeit).
Das, Herr und Frau Schlecker, ist Ausbeutung pur im Turbokapitalismus. Die 7,42 Milliarden Euro, die Sie mit Ihrem Konzern durch die Arbeitskraft und auf dem Rücken der Beschäftigten 2008 an Jahresumsatz gemacht haben, sollten Ihnen die Sicherheit und eine tarifgerechte Entlohnung der Beschäftigten wert sein.
Herr und Frau Schlecker, Art. 14 Abs.2 des Grundgesetzes sagt aus, das .."Eigentum verpflichtet"…, und zwar zu einem verantwortungsbewusstem, die Menschen- und ArbeitnehmerInnenrechte achtenden Umgang und nicht zur Ausbeutung und Missachtung der ArbeitnehmerInnenrechte.
Durch Ihr ausschließlich und auf maßlose Profitmaximierung orientiertes Verhalten treiben Sie die Lohnspirale im Handel weiter nach unten und for-cieren so Lohndumping. Zudem nehmen Sie billigend in Kauf, dass die Be-schäftigten zum Teil gezwungen sind, ihr Einkommen, dass nicht zum Überleben reicht, durch Hartz IV aufzustocken.
Sie, Herr und Frau Schlecker, schaden so dem Solidarprinzip folgenden System der Sozialversicherungen, dem durch ihr tarifpolitisches Agieren Beitragseinnahmen entzogen werden.
Die Ausbeutung von Frauen durch Sie, Herr und Frau Schlecker und die Bedingungen, unter denen ihre Beschäftigten arbeiten müssen, verurteilen wir scharf.
Die Lebensrealität der bei Ihnen beschäftigten Frauen bedeutet: ständige Angst vor Jobverlust (vor allem bei den Mitarbeiterinnen, die noch nach Tarif bezahlt werden) und permanente Angst vor Überfällen! Auch dieser Druck ist eine Form von Gewalt: strukturelle Gewalt! Eine Form von Gewalt, die Sie auf Ihre Beschäftigten ausüben.
Die Billigung von Gefahren für die in Ihren Filialen beschäftigten Frauen, verbunden mit Ihrer Tarifflucht ist aus unserer Sicht schlicht menschenverach-tend und noch kaum zu überbieten.
Nehmen Sie das Neue Jahr als Chance für ein Umdenken wahr:
Handeln Sie verantwortungsbewusst, zahlen Sie Mindestlöhne, lassen Sie flächendeckend Betriebsräte in Ihren Filialen zu, schließen Sie einen Sicher-heitstarifvertrag mit ver.di ab.
Eigentum verpflichtet.
Mit solidarischen Grüßen,
Bärbel Beuermann, Stellvertr. Landessprecherin
Veronika Buszewski, Präsidiumsmitglied Landesrat
Jürgen Klute, MdEP DIE LINKE
C/0 DIE LINKE. NRW
Corneliusstraße 108
40215 Düsseldorf