Gebühr gegen Verantwortungslosigkeit - auch in Europa!
Zehn Jahre ist es her, dass die Staatenlenker Europas sich vornahmen, Amerika in Sachen Wirtschaftswachstum einzuholen. Mit der 2000 beschlossenen Lissabon-Agenda sollte die EU die Führung im vermeintlichen globalen Wirtschaftskrieg übernehmen. Doch die Rechnung ging nicht auf und in der Bilanz der vergangenen Dekade stehen stattdessen massive Ungleichgewichte zwischen den europäischen Ländern - mit Griechenland als aktueller Spitze des Eisbergs - und soziale Gräben, die für nicht nur für bundesrepublikanische Verhältnisse nicht anders als historisch zu nennen sind.
Dieses Frühjahr wird der Europäische Rat eine Nachfolgestrategie, genannt "EU 2020", verabschieden. Statt der IT-Branche soll nun der Kampf gegen die Klimakatastrophe neue Impulse bringen, ansonsten werden Ziele und Rezepte weitest gehend dieselben bleiben. Anzeichen zum Umsteuern einer grandios gescheiterten Politik jedenfalls muss man in Europa vergeblich suchen. So verbirgt sich auch hinter der Neuordnung der Finanzmarktaufsicht weniger ein Schutz vor zukünftigen Krisen als vielmehr ein neuerlicher Anlauf zur Integration der europäischen Finanzmärkte - wie schon anno 2000 in Lissabon vereinbart.
Dabei wird die zentrale Frage der kommenden Jahre lauten, wer die milliardenschwere Rechnung für die Bekämpfung der zweiten Weltwirtschaftskrise zahlen wird. Der Vorschlag der Europäischen Kommission ist nachzulesen im Nachhaltigkeitsbericht vom September letzten Jahres: der europäische Steuerzahler, vor allem aber Kranke, Rentner, Pflegebedürftige und Erwerbslose. Die Finanzunternehmen werden mit den Folgen ihrer Geschäftspolitiken nicht weiter behelligt, vielmehr kann man sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die neue Schuldenfrage den Ideologen des "schlanken Staates" ein willkommener Anlass ist, ihre Spar- und Schrumpfpolitik fortzusetzen.
Dass es auch anders geht, zeigen nun ausgerechnet die USA. Barack Obama hat sich im Wahlkampf die Ausweitung der Gesundheitsversorgung der AmerikanerInnen auf die Fahnen geschrieben. Dass seine Regierung offenbar keineswegs gewillt ist, dieses Ziel der geplatzten Party der Bankenwelt zu opfern, zeigt er nun mit einem neuen ehrgeizigen Projekt: Eine Sonderabgabe für Großbanken soll in den kommenden zehn Jahren 90 Milliarden US-Dollar zurück in die öffentlichen Kassen bringen.
Die "Crisis Responsibility Fee" sorgt dafür, dass der Finanzsektor in den USA kein gänzlich verantwortungsleerer Raum bleibt, in dem die Allgemeinheit sich mit den Fehlern einiger weniger auseinander setzen muss. Die "Gebühr" für die Finanzkrise zeigt auch, dass die Politik die Wahl hat - zwischen Geschenken an die Wirtschaft oder sozialem Fortschritt für die Mehrheit Bürgerinnen und Bürger. Dabei bleibt ein Problem: Sollten US-Banken zur Kasse gebeten werden, ihre Konkurrenten in Europa jedoch nicht, wird die mutige Initiative der US-Regierung schwer durchzuhalten sein.
Dem an die europäischen Staaten gerichteten Appell des Finanzministers der USA, Timothy Geithner, muss deshalb schnellstens mit einem positiven Signal entsprochen werden. Europa hat nun die Wahl: Zwischen einer solidarischen Form der transatlantischen Zusammenarbeit oder unfairem Wettbewerb auf dem Rücken der Bürger und Bürgerinnen - beiderseits des Atlantiks.