Deutschland ist das schwarze Schaf und nicht der mutige Vorreiter!

Europa braucht Mindestlöhne.

06.08.2009
Jürgen Klute

Vor wenigen Tagen hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di erneut eine Studie zum Mindestlohn veröffentlicht. Sie belegt, dass ein gesetzlicher Mindestlohn nicht nur der Bekämpfung von Armut dient, sondern dass er auch den Binnenmarkt belebt. Gerade in der gegenwärtigen Krise wäre das ein wichtiger Beitrag zu deren Bekämpfung.

DIE LINKE. sieht durch diese Studie ihre Forderung nach sofortiger Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes bestätigt. Bereits seit 2002 tritt DIE LINKE. entschieden für einen gesetzlichen Mindestlohn ein und es ihr gelungen, diese Debatte fest in der politischen Tagesordnung zu verankern.

Wir brauchen in Deutschland endlich einen allgemeinen, Existenz sichernden gesetzlichen Mindestlohn. Wir brauchen Existenz sichernde Mindestlöhne auch europaweit, mindestens in Höhe von 60 % des nationalen Durchschnittslohns. In der aktuellen Wirtschaftskrise werden sich für Unternehmen die Anreize erhöhen, ihre Wettbewerbsposition durch einen Lohnsenkungsstrategie zu verbessern. Das würde bedeuten: Die Beschäftigten werden wiederum gegeneinander ausgespielt, um gleich hohe oder höhere Profite zu erzielen.

Leider steht ausgerechnet Deutschland Pate für diese Orientierung. Laut einer Untersuchung des Duisburger Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) arbeiteten 2008 schon 6,5 Millionen oder 22 % der abhängig Beschäftigten in Deutschland im Niedriglohnsektor. Auch die tariflich vereinbarten Lohnsteigerungen sind in Deutschland zu niedrig ausgefallen. Unter den wirtschaftlich stärksten Ländern der EU verzeichnete die BRD seit 2000 die mit Abstand geringsten Steigerungen der Lohnstückkosten. Was manche neoliberalen Politiker, Ökonomen und Kommentatoren als Vorteil des Standortes feiern, ist tatsächlich eine unverantwortliche Dumping-Strategie, durch die Produktionsstandorte in den anderen EU-Ländern massiv unter Druck geraten.

Wir brauchen den Mindestlohn, weil er hilft, gute Arbeit zu stärken und keineswegs Arbeitsplätze vernichtet. Laut der neuen Studie, die im Auftrag von ver.di durch Klaus Bartsch (Econometrics) erstellt wurde, würde die Einführung eines Mindestlohns durch einen Konsumschub ca. 220.000 Arbeitsplätze schaffen. Die LINKE kämpft für einen Mindestlohn, der bis Ende 2013 auf zehn Euro steigen und wie in Belgien und Frankreich an die Lohn- und Preisentwicklung automatisch angepasst werden soll.

Der Studie von Klaus Bartsch zufolge lassen sich damit mittelfristig noch höhere Beschäftigungs-gewinne von nahezu 600.000 Arbeitsplätzen erzielen, weil Geringverdiener jeden zusätzlichen Euro ausgeben. Außerdem würde die Einkommensverteilung gleichmäßiger.
Dieses Ziel ist realistisch, denn schon jetzt gibt es Deutschland branchenspezifische tarifliche Mindestlöhne, die noch höher liegen, z.B. mit 12,85 Euro pro Stunde für mehrere Berufsgruppen auf dem Bau, oder bei den Dachdeckern mit 10,40 Euro.

Wir brauchen den gesetzlichen Mindestlohn auf europäischer Ebene auch, um rassistischer Hetze die Grundlage zu entziehen. Wenn entsandte Beschäftigte in anderen EU-Ländern von Unternehmen eingesetzt werden, um für Niedrigstlöhne zu arbeiten und dadurch Druck auf die national üblichen Entgelte entsteht, werden rechtsradikale Kräfte die Schuld nur zu gerne "den Ausländern" in die Schuhe schieben. Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen. Deshalb fordert DIE LINKE auf EU-Ebene die Einführung eines EU-weiten Mindestlohnes, der mindestens 60 % des Durchschnittseinkommens des jeweiligen EU-Mitgliedslandes betragen soll.